Monsanto gilt seit jeher als ein Inbegriff der hochkommerzialisierten Landwirtschaft, ein Dämon, der nicht nur weltweite Verschwörungstheorien heraufbeschwor, sondern auch konsequent daran arbeitete, diese Theorien zur Realität werden zu lassen. Pfui, ein kaltblütiger Konzern, ein Ferkel selbst unter den unmoralischsten Schmuddelkindern der Weltwirtschaft, mit einer Unternehmensstrategie, die als ein Paradebeispiel für rücksichtsloses Wirtschaften herhalten könnte. So die weitgehende öffentliche Meinung.
Und damit liegt sie auch nicht so weit daneben. Klagen gegen und durch den Konzern gehören quasi zur Firmengeschichte, wie das Unkrautvernichtungsmittel Roundup oder Agent Orange, das Entlaubungsmittel aus dem Vietnamkrieg. Beide Produkte zeigen stellvertretend für den gesamten Konzern dessen globalen Einfluss. Nicht zuletzt ist auch das Glyphosat-beinhaltende Roundup verantwortlich für den miserablen Ruf von Monsanto.
Knapp 9.300 Kläger schlossen sich der Anschuldigung an, Roundup verursache Lymphdrüsenkrebs. Und während der Konzern noch händeringend versuchte, die über 800 wissenschaftlichen Grundlagen dieser Anschuldigungen zu diskreditieren, sprach ein US-Gericht sein Urteil: 253 Millionen Euro Strafe, davon 34 Millionen Euro Schadensersatz an einen einzigen Kläger, Dewayne Johnson (10. August 2018, San Francisco Superior Court). Macht schlappe 316 Milliarden Euro für die Ankläger. Bei knapp 2 Milliarden Euro Gewinn (2017) könnte sich der Konzern nach lediglich 158 Jahren seiner Schuld entledigt haben, falls die Geschäfte so weiterliefen. Oder sich gleich auflösen. Doch bei einem Unternehmenswert von 60 Milliarden Euro (von Bayer geleisteter Kaufpreis), würde selbst das Tafelsilber nicht ausreichen. Gut, mittlerweile wurde die Strafzahlung auf 69 Millionen Euro reduziert, und die Revision ist ebenfalls noch anhängig, aber die Zeichen deuten auf eins: teuer.
Und dann noch das: Das Schmuddelkind Monsanto ist nun ein deutsches Problem. Die hiesige Wohlfühlwirtschaft hat nun einen dieser weltweit verschrieenen Konzerne an der Backe, dabei wollten wir uns doch als Vorzeigenation für moralisches und nachhaltiges Wirtschaften begreifen. Vielen Dank, Bayer. Wobei, eigentlich sollte man Mitleid mit Bayer haben. Angeblich ahnte man in den Chefetagen nicht, in was für einen Misthaufen man sich mit der Akquisition im Sommer 2018 hineingesetzt hat. Hallo? Geht’s noch naiver? Und wären die Anleger nicht bereit gewesen, den Kauf mit zusätzliche 13 Milliarden Euro zu unterstützen, müsste man auch fast mit denen Mitleid haben, nachdem Bayers Börsenwert nach Verkündung des obigen Urteils mal eben um 30 Milliarden abrutschte.
Dass Bayer den Namen Monsanto vom Antlitz der Welt streichen möchte und der Kauf ein paar Milliarden Kosteneinsparungen durch Synergien generieren wird, hilft dabei wenig. Ok, »wenig« ist auch schon zu viel. Denn schon jetzt wurden Sparmaßnahmen angekündigt, nebst Stellenstreichungen und die Veräußerung von Unternehmensteilen. Wie sagt man so schön? Fail! Aber gut, deutsche Unternehmen greifen bei Zukäufen im Ausland häufig daneben, um nicht zu sagen ins Klo. Aber man fragt sich trotzdem, wie man so blind beim Kauf von Monsanto sein konnte. Ja, die PR-Abteilung setzt noch alles dran, das Positive in den Vordergrund zu stellen: »[...] two leading innovators in agriculture will now come together as one to shape agriculture through breakthrough innovation for the benefit of farmers, consumers and our planet.« oder »Our combination will accelerate this journey of discovery and advance our purpose of Science for a better life.« Schon klar.
Klopfen wir ein paar passende Redewendungen ab: Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Die Kuh muss vom Eis geholt werden. Und man hat sich einen ordentlichen Bären aufbinden lassen. Ja, der Vorzeigekonzern aus Leverkusen hat sich die Suppe selbst eingebrockt, indem es mit seiner Offerte reichlich überstürzt und – scheinbar wussten das schon alle, bis auf die Entscheidungsträger – falsch handelte.
Kommen wir zum eigentlichen Anliegen von ECONOMY2BEE: Das Geschäftsgebaren von ehemals Monsanto jetzt Bayer ist unmoralisch, umweltschädigend und nicht nachhaltig. Drei Beispiele:
A) Die Knebelung der Bauern.
Die Vertragsgestaltung und letztlich -durchsetzung von Monsanto gegenüber dessen Kunden, Landwirten weltweit, sorgt seit Jahren für Kritik. Säen Bauern einmal das Saatgut aus Monsantos Genküchen, sind sie zur weiteren Abnahme des Saatguts Jahr für Jahr verpflichtet. Die Nutzung eigenen Saatguts, das bei der Ernte abfällt, ist untersagt. Ein durchaus lukrativer Gedanke, würde der Konzern nicht bandenmäßig mit Horden von Detektiven und Anwälten von Hof zu Hof ziehen, jedes Körnchen untersuchen und seine Kunden mit Drohungen und Klagen überziehen, sollten sie sich den Verträgen nicht beugen. Nebenbei lässt sich dabei auch recht gut eine Monopolstellung aufbauen. Die Bauern jedoch können sich aus dieser Zwickmühle nur schwerlich befreien, sind auf Lebzeiten an einen Lieferanten gebunden, lassen ihre Felder zu Monokulturen verkümmern und befinden sich nicht selten in der Situation, ihren Betrieb einstellen zu müssen.
B) Patente.
In einigen Ländern konnte Monsanto Patente auf gentechnisch veränderte Kulturen anmelden. Dabei sollte es niemals die Möglichkeit geben, Patente auf die Natur anzumelden. Denn schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass auch durch natürliche Selektion im Laufe der Evolution solche Kulturen entstehen könnten. Mithilfe dieser Patente kann Monsanto ebenfalls durch die Weltgeschichte ziehen und fleißig Klageschriften verteilen. Findet sich zum Beispiel ein Körnchen patentierten Saatguts auf des Nachbarn Grundstücks, ließe sich dieser als Verletzer des geistigen Eigentums von Monsanto vor ein Gericht zerren. Nur doof, dass Wind und Vogelkacke so wenig auf geistiges Eigentum achten.
C) Glyphosat.
Der endgültige Beweis, dass das Unkrautvernichtungsmittel giftig für Mensch und Tier ist, steht noch aus, wohl auch, weil es unzählige Studien dafür und dagegen gibt. Die bescheinigen einerseits, dass bei einem ordnungsgemäßen Gebrauch keine Gesundheitsschäden zu erwarten sind, natürlich nur solang, wie die Macher dieser Studien dem Konzern und dem Mittelchen wohlgesonnen sind. Widersprechen sie dieser These, handelt es sich meist um Autoren, die Glyphosat lieber früher als später verboten sehen wollen. Gerichte, Verbände, Behörden und so weiter tragen dabei für Monsanto den Kampf um die Wahrheit aus, während es mit eigenen »wissenschaftlichen« Studien, selbstverständlich nach ganz selbstloser und objektiver Manier, versucht, die Menschheit von seinem heilsbringenden Produkt zu überzeugen.
Doch die Diskussion sollte eigentlich ganz anders geführt werden: Solang ein Produkt und dessen Auswirkungen nicht einwandfrei als unbedenklich gelten, ist die Vermarktung unzulässig. Gut, man kann auch bis zum Tag des jüngsten Gerichts prüfen, irgendwann feststellen, dass sich doch einmal ein Fisch an einem Samen verschluckt hat, der seinen Weg ins Meer gefunden hat. Sprich Augenmaß ist notwendig. Wenn jedoch Risiken wie Krebs im Raum stehen, ist es keine Frage von Augenmaß, sondern gesellschaftlicher Verantwortung eines jeden Unternehmens, solch ein Risiko entweder auszumerzen oder mittels unabhängiger Untersuchungen als gegenstandslos herauszustellen.
Und nun ist es Bayer, das hartnäckig versucht, Monsantos Strategie fortzuführen. Letzte Woche Donnerstag hat es vor einem New Yorker Gericht einen vermeintlichen Erfolg errungen: Der Konzern erreichte eine Verfahrensänderung, wodurch die Vorwürfe der Ankläger, Monsanto hätte versucht die öffentliche Meinung zu beeinflussen, nicht zu Beginn des Prozesses vorgetragen werden dürfen, sondern erst, sobald feststeht, dass Glyphosat tatsächlich krebserregend ist. Bayer begrüßte die Entscheidung und der Aktienkurs legte zu. (Ja liebe Anleger, auch das beherzte Zugreifen nach Aktien erlaubt eine Schlussfolgerung über eure moralischen Vorstellungen, um die es nicht gut bestellt sein kann, wenn man fördert, was möglicherweise gesundheitsschädlich ist.)
Dass Bayer die Argumentation von Monsanto übernommen hat, ist mehr als kurzsichtig. Es dient lediglich der Abwendung von Schadensersatzforderungen und somit der Wahrung der Interessen der Anteilseigner. Nur sollte es deren Interesse sein, Profite mit einem Produkt einzufahren, dass nicht nur politisch hochumstritten ist, sondern die obengenannten Risiken birgt? Nein, natürlich nicht.
Was Bayer tun sollte:
1. Das Geschäftsgebaren von Monsanto ist umgehend einzustellen. Sprich, die bestehenden Knebelverträge mit den Landwirten sind so umzugestalten, dass Monokulturen nicht länger gefördert werden und die lebenslange Bindung an Roundup & Co. nicht zum Nachteil der Kunden gerät. Wenn Bayer wirklich an »Innovationen zum Vorteil der Landwirte, Konsumenten und des Planeten« gelegen ist, dann hat es letztlich keine andere Wahl, um nicht als schamloser Lügner bloßgestellt zu werden. Bayer muss die Situation befrieden, auch wenn es bedeutet, dass kurzfristig hohe Kosten auf den Konzern zukommen, der Aktienkurs abrutscht, die Renditen schmelzen und die Boni zusammengestrichen werden. Denn nur so lässt sich langfristig eine Strategie entwickeln, die nachhaltig und tatsächlich im Interesse der Landwirte, Konsumenten und des Planeten ist. Nämlich nicht auf den Kosten ihrer Gesundheit, sondern im Einklang mit den Prinzipien nachhaltigen Wirtschaftens.
2. Bayer hat Glück (und gute Lobbyisten), dass der Absatz von Glyphosat noch nicht vollständig verboten wurde. Allerdings ist das nur eine Frage der Zeit. Daher sollte Bayer den Vertrieb umgehend einstellen und seine Forschungsabteilungen damit beauftragten, ein eindeutig unbedenkliches Substitut zu entwickeln. Ja, der Wettbewerb würde umgehend diese Lücke füllen, doch wenn das Verbot dann tatsächlich kommt, könnte Bayer bereits mit einem ähnlich wirksamen, aber ungefährlichen Nachfolger aufwarten. Und der Wettbewerb guckt in die Röhre.
3. Bayer muss sich mit den Klägern auf einen Vergleich einigen und die Rechtsstreitigkeiten beenden. Es kann diese Prozesse nur verlieren, auch wenn Richter und Jury in seinem Interesse urteilen. Denn was so ein mögliches Urteil eigentlich aussagt, ist, dass Gewinne über den Belangen von Mensch und Umwelt stehen, ob es nun eine eindeutige Kausalität zwischen Glyphosat und Gesundheitsschäden gibt oder nicht. Mit einem Vergleich kann Bayer dieses Kapitel abschließen, ohne damit ein Eingeständnis der eigenen Schuld zu machen. Denn jetzt kann es diese Schuld noch auf Monsanto übertragen. Kämpft es jedoch mit Monsantos Argumention weiter, wird das nicht mehr möglich sein. Ja, es wird teuer. Und ja, es käme einem Paradigmenwechsel gleich. Aber Bayer könnte beweisen, dass es seiner Verantwortung als neuer Eigentümer gerecht wird.
4. Zu guter Letzt muss Bayer als Pharmakonzern zusehen, dass es die Menschen nicht mit einem Produkt krank macht, um sie dann mit einem anderen wieder zu heilen. Das heißt, es hat seinen gesamten Unternehmenszweck nur einer Sache zu widmen: Dem Wohlergehen der Bevölkerung. Das erreicht es nicht mit losen Worthülsen und hübschen Webauftritten, sondern nur, indem es sein Produktportfolio konsequent daran ausrichtet. Denn im Grunde ließe sich mit solch einem Geschäftsmodell langfristig optimal Geld verdienen: Die Gesundheit der Menschen ist und bleibt ein gigantisches Geschäft, das seine Existenzberechtigung bereits errungen hat – Gesundheit eben.
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